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Kleine Himmelsgeschenke

Kleine Himmelsgeschenke

Für Henning Borchers sind Samen, Kerne und Nüsse Geschenke des Himmels. Sie sind voller kostbarer Nährstoffe für Pflanze und Mensch. In Charlottenburg presst seine Manufaktur Ölwerk aus den kleinen Kostbarkeiten hochwertige Speiseöle in Rohkostqualität.

Gespräch mit Henning Borchers von Ölwerk

Herr Borchers, eigentlich nutzt jeder Pflanzenfette täglich in der Küche ohne groß darüber nachzudenken. Warum sind Speiseöle für Sie eine Delikatesse? 

Ein Großteil der Bevölkerung weiß nicht mehr, dass frisch gepresste Speiseöle lecker schmecken. Wir haben uns daran gewöhnt Sonnenblumen- oder Rapsöl ohne Geschmack beim Discounter zu kaufen. Ich bin genauso mit Speiseölen in der Plastikflasche aufgewachsen und hatte kein Gespür für ihre Qualität. Im Lebensmittelhandel gehören Speiseöle zum Trockensortiment wie Nudeln, Reis und Haferflocken. Für den Handel müssen sie ein Haltbarkeitsdatum von einem halben Jahr besitzen. Das ist Teil des Problems, da man frisch gepresste Öle im normalen Handel nicht findet. Viele Menschen kennen den sortentypischen Geschmack von Speiseölen gar nicht. Jeder Samen, jedes Korn, jede Nuss besitzt ihr eigenes Aroma. Aprikosenkernöl schmeckt z.B wie flüssiges Marzipan und ist ein wunderbares Öl. 

Sie sind ein Quereinsteiger in der Branche. Was haben Sie vorher gemacht und warum widmen Sie sich jetzt den kostbaren Pflanzenfetten?

Früher war ich bei diversen Unternehmen in der Energiewirtschaft tätig und habe dort den Vertrieb geleitet. Da hatte ich nur mit Strom und Gas zu tun. Ich habe viel Zeit in sinnlosen Meetings verbracht. Abends wusste ich manchmal gar nicht, was ich den Tag über gemacht hatte. Und irgendwann stand mein 50. Geburtstag vor der Haustüre. Da dachte ich: Moment, jetzt hast du die Hälfte deines Lebens hinter dir. Willst du die nächsten 17 Jahre noch dasselbe machen oder etwas anderes tun? Ich hatte einfach keine Lust mehr auf meine alte Arbeit. Erstmal unbewusst habe ich mich im Bereich Lebensmittel umgesehen. Durch Zufall bin ich dann auf Speiseöle gestoßen.

Wir stellen ein nachhaltiges Öl her und haben ein kundennahes Konzept.

Und dann haben Sie von heute auf morgen eine Manufaktur gegründet?

Ich hatte gespartes Geld und konnte es in den ersten Jahren für die Manufaktur einsetzen. In Berlin gab es in dem Bereich Speiseöle kein Angebot. Das Ganze hörte sich nach einem lohnenden Geschäft an. Anfangs unterstützte mich ein Kollege, der bereits in einer Ölmühle gearbeitet hatte. Er kannte sich mit den Maschinen und anderen Dingen aus. Wir wollten ein hochwertiges und nachhaltiges Öl mit einem regionalen und kundennahen Konzept wie früher herstellen. Heute verfügt unsere Manufaktur in Berlin Charlottenburg über 120 m². Hier produzieren wir, füllen ab, haben unser Lager und Ladengeschäft. Wir sind noch eine richtige Manufaktur und ich stehe selbst an der Presse. Darauf sind wir stolz und haben unseren Kunden gegenüber ein gutes Gewissen. 

Worin genau unterscheiden sich Ihre Öle von denen konventioneller Hersteller?

Bei raffinierten Ölen handelt es sich um eine industrielle Herstellung. Das ist mit der Erzeugung unserer Öle nicht vergleichbar. Wir pressen die Saat mit mechanischer Energie. Konventionelle Erzeuger schroten die Samen und lösen die Öle chemisch heraus. Dafür verwendet man Waschbenzin oder andere Lösungsmittel. Durch die Verfahren erzielt man den optimalen Ertrag. Aber am Ende des ersten Arbeitsschrittes erhält man eine ungenießbare Substanz, die Mineralölrückstände enthält. Dann folgt die Raffination bei der die Lösungsmittel wieder entfernt werden. Ergebnis ist ein Funktionsöl, das weder Aroma noch wertvolle Pflanzenstoffe besitzt. Die chemischen Prozesse haben Geschmacksstoffe, Vitamine, Fettbegleitstoffe, Lecithine und anderes zerstört. Unser Organismus braucht diese Stoffe. Deshalb fügt man Lecithine den industriellen Ölen auf chemische Weise wieder hinzu. 

Ein Samenkorn enthält alles, was die Pflanze in den ersten Tagen braucht.

Die Industrie nutzt also die ursprüngliche Kraft von Samen, Kernen und Nüssen gar nicht?

Ja, ein Samenkorn ist ein Geschenk des Himmels. Es enthält alles, was die Pflanze für die ersten Schritte ihres Lebens braucht. Wenn sie keimt, zieht sie noch keine Nährstoffe aus dem Boden. Im Samenkorn stecken Fette, Vitamine, Fettbegleitstoffe und Antioxidantien. Durch die traditionelle raffinierte Speiseölproduktion gehen die wertvollen Pflanzenstoffe verloren. Leider machen die Öle 95 Prozent unseres Marktes aus. Die meisten Menschen wissen nicht, wie die Industrie Öl herstellt. Wenn ich ihnen die Raffination erkläre, machen sie große Augen und sagen: Oh Gott,das wusste ich ja gar nicht.

Wie setzen sich hochwertige Speiseöle zusammen?

Speiseöle bestehen aus unterschiedlichen Fettsäuren. Grundsätzlich gibt es gesättigte, einfach ungesättigte und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Bei den mehrfach ungesättigten Fettsäuren spielen die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren eine wichtige Rolle für den menschlichen Organismus. Wir brauchen sie für die Zellbildung und viele andere wichtige Dinge. Unser Stoffwechsel kann sie nicht selbst herstellen und wir müssen sie dem Körper zuführen. Dabei ist das Verhältnis der Fettsäuren zueinander entscheidend.

Das Verhältnis der Omega -3-Fettsäuren zueinander ist entscheidend.

Und inwiefern tragen Pflanzenfette zu einer gesunden Ernährung bei?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ein Verhältnis von Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren von 4:1. Bei einer „normalen“ Ernährung mit hoch verarbeiteten Lebensmitteln beträgt das Verhältnis schnell 20:1. Das Übergewicht von Omega-6-Fettsäuren kann zu bekannten Zivilisationserkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Reizdarm-Syndromen oder Erkrankungen des Herzens führen. Frisch gepresste Öle besitzen einen hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren, besonders Leinöl. Seine Inhaltsstoffe sind empfindlich und man darf das Öl nicht erwärmen. Leinöl kompensiert das Ungleichgewicht der Fettsäuren in der Ernährung. Es hilft bei regelmäßiger Einnahme dem Körper und hemmt Entzündungen. Gute Öle sind für eine gesunde Ernährung wichtig.

Verweist denn Kaltpressung auf hohe Qualität?

Der Begriff kaltgepresst ist im Lebensmittelrecht nicht definiert. Industrielle Hersteller nutzen ihn als reine Marketingaussage. Die Bezeichnung sagt nichts über vor- und nachgelagerte Produktionsschritte aus. Auch raffinierte Öle können kaltgepresst sein. Sie werden dann im zweiten oder dritten Schritt nach der Pressung erhitzt und behandelt. Deshalb verwenden wir die Bezeichnung Kaltgepresst in Rohkostqualität. Während dem ganzen Herstellungsprozess werden unsere Öle unter 40 Grad verarbeitet. So beinhalten sie noch alle ursprünglichen Inhaltsstoffe.

Wir arbeiten mit unserer Schneckenpresse nur mechanisch.

Bei Ihnen ist die Herstellung nur ein einstufiger Prozess?

Genau. Wir füllen die Saat in unsere Schneckenpresse und arbeiten nur mechanisch. Durch erhöhten Druck löst sich das Öl vom Samen. Übrig bleibt ein Presskuchen, der noch zehn Prozent des Öls enthält. Aber wir wollen nicht den besten Ertrag, sondern hochwertiges Öl mit allen Inhaltsstoffen. Deshalb verzichten wir auch auf die Filterung. Unser Öl ruht und die Trübstoffe setzen sich von alleine ab. Das dauert je nach Ölsorte 24 Stunden oder auch z.B. wie bei Schwarzkümmelöl eine Woche.

Ölwerk verwendet konsequent biologische Zutaten. Geht es dabei nur um Geschmack oder auch die Umwelt?

Wir behandeln unsere Öle zu keinem Zeitpunkt. Deshalb ist eine rückstandsfreie Qualität bei unseren Rohstoffen selbstverständlich. Wir stellen gesunde und hochwertige Produkte her und das fängt bei den Zutaten an. Natürlich unterstützen wir auch eine nachhaltige Landwirtschaft ohne Pestizide. 

Die Region Berlin war früher für Leinöl bekannt.

Hanf und Raps beziehen Sie regional. Aber das geht nicht immer?

Leider nicht, denn Aprikosen und Sesam kann man in Deutschland z.B. gar nicht anbauen. Wir erhalten den überwiegenden Teil unserer Ware aus einem Berliner Bio-Großhandel. Er ist auf Bäcker spezialisiert und wir haben dort eine große Auswahl an Samen, Kernen und Nüssen. Wir hätten gerne einen festen regionalen Bauern für Lein. Da haben wir bereits mit Landwirten Experimente gemacht. Aber die Pflanze hat bestimmte Anforderungen. Bei unseren Versuchen gab es ein sehr trockenes Jahr in dem der Lein nicht wachsen konnte. Im darauffolgenden Frühjahr war es für die Pflanze wiederum zu nass. Das Ganze wird noch dauern und wir müssen dabei langfristig denken. 

Mit Ölwerk knüpfen Sie gewissermaßen an eine alte Berliner Tradition an. Inwiefern war die Stadt früher bekannt für Leinöl?

Da muss man einen Blick in die Vergangenheit werfen. Vor 200 Jahren haben die Menschen noch mit tierischen Fetten gebraten und gekocht. Im Mittelmeerraum gab es schon bei den alten Griechen Olivenöl. Aber nördlich der Alpen existierte eine Tradition für pflanzliche Speiseöle nicht – bis auf drei Ausnahmen: Die Steiermark stellte Kürbiskernöl her. In Hessen bei Kassel gab es eine Enklave für Mohnöl und die Region Berlin, Spreewald und Schlesien war für Leinöl bekannt. 

In Brandenburg baute man früher also Lein an?

Ja, jeder kennt den Spruch Komm, wir fahren ins Blaue. Das hat ursprünglich nichts mit blauem Wasser oder Himmel zu tun. Rund um Berlin baute man früher Lein an, der blau blühte. In jedem Stadtteil gab es eine Ölmühle. Dort holte man mit einem Kännchen ein, zwei Liter Öl für den Wochenbedarf der Familie. Pellkartoffeln mit Quark und Leinöl war das Essen der armen Leute. Man erhielt über das Öl Fett, der Quark besaß Eiweiß und Kartoffeln versorgten die Menschen mit Kohlenhydraten. Das war gesund, machte satt und war billig.

Wir sind ein regional ausgerichtetes Unternehmen und möchten nicht die Welt erobern.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Wir sind ein regionales und lokal ausgerichtetes Unternehmen und möchten nicht die Welt erobern. Natürlich verkaufen wir unser Öl auch in andere Regionen. Aber das ist nicht unser Schwerpunkt. Wir wollen wissen, was wir machen und legen Wert auf Hochwertigkeit. Ich hatte einen Konzernjob und habe mich bewusst aus dieser Welt verabschiedet. Über Begriffe wie Humankapital will ich nie wieder reden. Ich kenne jetzt meine Mitarbeiter und weiß, wer sie sind. Generell habe ich einen kooperativen Ansatz. Vor ein paar Jahren hat mich mal jemand aus Düsseldorf angerufen, der auch eine Ölmühle gründen wollte. Er hat zwei Wochen bei uns hospitiert und heute tauschen wir uns regelmäßig aus und geben uns gegenseitig Tipps.

Was ist Ihr Lieblingsöl und haben Sie eine Rezeptempfehlung?

Leinöl nehme ich täglich zu mir. Es tut mir gut und ist gesund. Ich esse es morgens gerne im Müsli und manchmal auch klassisch mit Pellkartoffeln und Quark. Neuerdings mache ich mit Leinöl meine Salatdressings. Dazu nehme ich einfach einen kleinen Becher Naturjoghurt, einen Schluck Leinöl, Pfeffer, Salz und frische Kräuter. Püriert ergibt das ein wunderbares Essig & Öl Dressing, das zu allen Salaten passt.

Übrigens: Das Ölwerk ist ein inhabergeführtes Unternehmen. Die Inhaber und das gesamte Team stehen für eine hohe Qualität der Produkte. Dies wird durch die Unterstützung der Slow Food Bewegung sichtbar.