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Mit der Kraft der Natur

Mit der Kraft der Natur

Lindenmeyer nimmt sich für die Herstellung von Essig Zeit, denn der Inhaber Dr. Friedrich Mertz ist überzeugt: Nur mit und aus der Kraft der Natur entstehen hochwertige Lebensmittel.

Gespräch mit Dr. Friedrich Mertz von Lindenmeyer

Herr Dr. Mertz, Essig ist ein jahrtausende altes Würz- und Konservierungsmittel. Was fasziniert Sie daran?

Ja, schon die Römer tranken Wasser mit Apfelessig. Ich habe bereits als Kind miterlebt wie Essig in unserer Fabrik hergestellt wurde. Heute habe ich immer noch ein Deja Vu, wenn ich in meiner Essig Brauerei bestimmte Gerüche wahrnehme. Ich finde das einfach herrlich. Während Autonarren verkünden, dass bei ihnen Diesel im Blut läuft – ich würde sagen, bei mir ist es Essig! Aber bei mir geht es um die Herstellung von einem Lebensmittel. Man sollte sich das Wort genau anschauen und begreifen. Dahinter stecken Mittel zum Leben. Das ist etwas ganz besonderes. 

Sie führen Ihr Familienunternehmen in achter Generation. Welche Geschichte steckt dahinter? 

Mein Vorfahre Georg Friedrich Rund war ein tüchtiger Kaufmann und gründete die Firma 1727. Damals war das Hauptprodukt des Unternehmens Bleiweiß oder auch Bleimennige und diente als Außenanstrich. Für die Herstellung benötigte man Dämpfe von Essigsäure. Die Firma Rund stelle Essig für die Farbe, aber auch als Lebensmittel her. 1887 wurde die Essig-, Hefe- und Spiritusfabrik Lindenmeyer & Co. aus einer Konkursmasse aufgekauft. Es gibt einen interessanten Zusammenhang zwischen den Produkten: Bei der Erzeugung von Hefe entstand Alkohol, den man zu Spiritus brannte. Und den Spiritus nutzte die Fabrik wieder zur Essigherstellung. Die Firma Georg Friedrich Rund existiert auch heute noch und taucht namentlich in dem Logo der Essigbrauerei auf jeder Flasche Essig auf.

Eine Tradition fortzuführen bringt große Verantwortung mit sich.

Also, war die Übernahme von Lindenmeyer für Sie selbstverständlich?

Ich habe das Unternehmen nicht übernommen, sondern Gesellschaftsanteile geerbt. Das Ganze war für mich eine freiwillige Option und ich bin da einfach rein gewachsen. Wahrscheinlich habe ich den Unternehmergeist einfach im Blut. Teilweise gab es auch schwierige Zeiten. Es ist schön eine Tradition fortzuführen, aber das bringt große Verantwortung mit sich. 

Und heute knüpfen Sie an die Tradition an?

Wir profitieren von der Firmentradition und dem alten Namen. Daraus lässt sich ein tolles Marketing generieren, aber man muss auch ein tolles Produkt haben. Dann macht das Ganze Spaß. Der Neubau 2019 war eine Art Neuanfang für Lindenmeyer. Dort habe ich mit der Essigbrauerei gestartet. Es ist eine stetige Herausforderung unsere Produkte auf dem Markt zu etablieren. Aber es gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Essig. Es ist toll was man mit dem Produkt alles machen kann und mich fasziniert, dass es bei Essig keine Grenzen gibt. Ich bin stolz, dass ich nach den ersten zwei Jahren schon 14 Sorten anbiete. 

Lindenmeyer Essig Brauerei von
Lindenmeyer Essig Brauerei

Mit dem Schützenbachverfahren kann man Essig großtechnisch herstellen.

Sie waren seit 1727 in Heilbronn ansässig. Warum sind Sie 2019 mit Lindenmeyer umgezogen?

Unser letzter Betriebsstandort war ein altes Brauereigebäude aus dem Jahre 1887. Dort haben wir bis 2005 Backhefe hergestellt. Die Räumlichkeiten wurden einfach zu groß und eine Sanierung stand bevor. Das war für uns aus finanzieller Sicht nicht sinnvoll. Wir haben das Grundstück verkauft und die Möglichkeit ergriffen, uns komplett neu zu positionieren. Für mich sind wir also eine Art Start up, das aus einem über 290 Jahre alten Unternehmen hervorgeht. Wir sind von Heilbronn nach Öhringen gezogen. Dort gab es ein passendes Grundstück mit verkehrsgünstiger Lage und wir haben neu gebaut. 

Sie nutzen für Frucht- und Malzessig das traditionelle Schützenbach-Verfahren zur Herstellung. Was verbirgt sich dahinter? 

Ja, ein Herr Schützenbach entwickelte 1825 ein besonderes Verfahren zur großtechnischen Herstellung von Essig. Essigsäurebakterien benötigen zum Leben eine Kohlenstoffquelle wie Alkohol. Man nimmt also z.B. einen Wein und versetzt ihn mit Essigsäurebakterien und führt Wärme und Sauerstoff hinzu. So beginnt die essigsaure Gärung. Chemisch gesehen handelt es sich dabei um eine Oxidation. Schützenbach hat für das Verfahren einen speziellen Behälter entwickelt. Darin lagert im unteren Bereich der Wein. Auf einem Rost, der zur Abtrennung dient, liegen Buchenholzspäne auf denen die Essigsäurebakterien anhaften (daher auch Fesselverfahren). Mit einer Pumpe werden sie kontinuierlich immer wieder mit frischem Wein berieselt. Auf diese Weise verstoffwechseln die Bakterien den Alkohol zu Essig. 

Ein Prozent Alkohol ergibt ein Prozent Säure.

Und der Säuregehalt nimmt dann kontinuierlich zu?

Man kann den Säuregehalt täglich messen, indem man ihn pipettiert. Das macht man ähnlich wie früher in der Schule mit Natronlauge. So kann man sehen wie er stetig ansteigt. Die Faustregel lautet dabei, dass ein Prozent Alkohol ungefähr ein Prozent Säure ergibt. Wichtig ist die kontinuierliche Zugabe von frischem Wein. Wenn die Bakterien zu viel Wein bekommen, dann sind sie “betrunken” und stellen ihre Arbeit ein.

Was genau ist beim Schützenbach Verfahren der Vorteil? 

Der Essig schmeckt aus meiner Sicht weicher und darin besteht geschmacklich ein entscheidender Unterschied zu anderen Verfahren. Aber für die Erzeugung guter Lebensmittel ist vor allem eine Komponente wichtig: Zeit. Wie im privaten Leben muss man sich für die wichtigen Dinge Zeit nehmen. Nur so bilden sich die Aromastoffe unseres Essigs voll aus. 

Qualität fängt mit hervorragenden Rohstoffen an.

Und was unterscheidet Lindenmeyer Essig qualitativ von konventionellen Herstellern?

Gute Qualität fängt bei hervorragenden Rohstoffen an. Wenn möglich, arbeiten wir z.B. wie beim Apfel- oder Weinessig sortenrein. Dabei steht der individuelle Geschmack der einzelnen Obstsorten im Vordergrund. Mit dem Saft-Lieferanten Gaukel aus Heilbronn habe ich eine tolle Partnerschaft. Der Hersteller ist ein Meister seiner Zunft und stellt erstklassigen Saft her. Das Obst kommt bei ihm frisch geerntet in die Presse. Der Transportweg zu mir ist sehr kurz und ich kann den Saft sofort verarbeiten und gären lassen.

Sie arbeiten mit der Kraft der Natur. Was genau bedeutet das?

Bei der Essigherstellung arbeite ich mit Hefen und Bakterien. Die Mikroorganismen sind lebendig und gewissermaßen Mitstreiter von mir. Wenn sie gute Arbeit leisten, ist auch das Produkt später hervorragend. Dafür brauchen sie das richtige Milieu, das ich ihnen ermögliche. Sie machen die Arbeit von selbst und mir macht es Spaß, sie dabei zu unterstützen. Das leckere Produkt entsteht also von alleine. Und natürlich bringt uns Mutter Natur jedes Jahr andere Früchte. Blüte, Witterungsbedingungen und das Wetter beeinflussen den Geschmack einer Frucht. Das muss man akzeptieren und macht jeden Essig einzigartig.

Neue Rezepturen entstehen Learning by Doing.

Wenn Sie neue Rezepturen entwickeln – Sind sie dann mehr Wissenschaftler oder doch ein Genussmensch?

Also, da bin ich kein Wissenschaftler, sondern probiere einfach aus. Ich habe eine Idee oder ein Safthersteller bietet mir z.B. eine neue Sorte an. Dann läuft das Ganze Learning by Doing ab. Bei dem Malzessig habe ich ein halbes Jahr herumgedoktert. Manches funktioniert am Anfang nicht und dann muss man weiter experimentieren. Natürlich ist dabei auch immer die Erfahrung wichtig. 

Warum möchten Sie Ihr Sortiment mit Bioland und Demeter-Qualität ausbauen? 

Der Anspruch differenziert uns von Mitbewerbern. Es gibt EU-Bio, aber Bioland und demeter haben deutlich höhere Anforderungen an Anbauweise und Rohstoffe. Und die Rohstoffe machen einen entscheidenden Teil unserer Qualität aus. Wir richten den Fokus auf die beste Qualität. Natürlich wird dann auch die Menge knapper, denn es gibt nicht so viele Bioland-Höfe und noch weniger demeter Landwirtschaft.

Die Bio-Zertifizierung ist ein wichtiger Baustein.

Sie legen Wert auf Nachhaltigkeit. Wie setzen Sie ökologische Aspekte bei Lindenmeyer um?

Unsere Bio-Zertifizierung ist ein wichtiger Baustein für die Umsetzung von ökologischen Aspekten. Und nach dem alten Backsteinhaus in Heilbronn ist unser Neubau aus energetischer Sicht eine tolle Sache. Wir haben eine Photovoltaikanlage auf dem Dach und produzieren im Laufe des Jahres sogar mehr Strom als wir verbrauchen. Wir sind also energetisch autark. Das ganze Gebäude bewegt sich im Niedrigenergie-Standard. Hier ist alles sehr gut isoliert und wir setzen Energie sparende LED-Lampen für die Beleuchtung ein. Bei der Produktverpackung verwerten wir Lagergebinde wieder. Aber unsere Essigflasche z.B. als Pfandsystem anzubieten, können wir in unserer Größenordnung aus logistischen Gründen leider nicht stemmen. 

Was ist Ihr Lieblingsessig und haben Sie eine Rezeptempfehlung?

Ich liebe alle Lindenmeyer Essigsorten. Aber besonders begeistert mich Balsamessig, denn er besitzt ein unglaubliches Aroma. Er passt herrlich zu einem frischen Blattsalat oder ist mit Vanilleeis ein tolles und spannendes Geschmackserlebnis. Wenn ich dann eine Note von schwarze Johannisbeere oder Apfel schmecke, bin ich glücklich!

Gut zu wissen: Die Essigbrauerei Lindenmeyer stellt neben  Fruchtessig und Weinessig auch sehr beliebte Bio-Essig-Sorten her.