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Die Geschichte des Gins

Die Geschichte des Gins

Schon die Antike verwendete das Verfahren der Destillation, um ätherische Öle herzustellen. Im Mittelalter nutzten Mönche das Wissen zu medizinischen Zwecken in den Klöstern. Aus Heilkräutern brannten sie Elixiere, um gesundheitliche Beschwerden und Krankheiten zu lindern. Die hochprozentigen Destillate nannte man auch aqua ardens (brennendes Wasser). 

Im 13. Jahrhundert kamen sie aufgrund ihrer medizinischen und desinfizierenden Wirkung vorwiegend bei Fieberschüben und der Bekämpfung der Pest zum Einsatz. 

Erst im 16. Jahrhundert wandelte sich Alkohol zu einem Genussmittel. Gleichzeitig entdeckte man Verfahren zur Destillation von Getreide. So entwickelten sich landestypische Brände wie Schottischer Whisky, französischer Cognac oder russischer Wodka.

Genever – Ein Original aus den Niederlanden

Die genaue Herkunft des Gins ist nicht eindeutig geklärt. Als Vorläufer gilt der holländische Genever. Der deutsch-niederländische Arzt Franz de la Boe brannte im 17. Jahrhundert aus der Wacholderbeere, zu niederländisch Genever, einen Wacholderschnaps in Leiden. Das Destillat diente zur Linderung von Magen-Darm-Beschwerden und der gesunde Tropfen erfreute sich großer Beliebtheit. Der Arzt beauftragte Brennereien mit der Herstellung von Genever, um den Bedarf der Bevölkerung zu decken. Aber auch Frankreich und die Benelux-Staaten waren zur gleichen Zeit für das Brennen von Wacholderschnaps bekannt.

Dutch Courage – Gin als Mutmacher

Im Englisch-Spanischen Krieg waren bis Anfang des 17. Jahrhunderts aufgrund eines Bündnisses englische Soldaten in den Niederlanden stationiert. Dort lernten sie die Dutch Courage kennen: Die niederländischen Soldaten tranken sich sich mit Gin Mut an. So brachten die Engländer Genever, den sie als Gin bezeichneten, mit nachhause. 1689 wurde der Holländer Wilhlem III. König von England, Schottland und Irland. Er förderte die inländische Produktion von Bier und Schnaps durch Senkung der Steuern. Im Gegenzug verbot er die Einfuhr von Brandy, französischen, spanischen und deutschen Weinen. 

Seine Nachfolgerin Queen Anne erlaubte jedem Untertan Gin selbst herzustellen – mit fatalen Folgen. 

Die Spirituose wurde zu einem billigen Getränk der Unterschicht. 1702 stellten rund 25 % aller Haushalte den Wacholderschnaps in Eigenregie her.

Gin Craze – Der reine Wahnsinn

Da Wasser in der Regel verkeimt war, tranken die Engländer oft morgens, mittags und abends Bier und ersetzten das Getränk neuerdings mit Gin. Der Alkoholkonsum wurde unter den Einheimischen zu einem ernsthaften Problem. 1733 tranken die Engländer im Jahr 47 Millionen Liter Gin!

Im Vergleich zum Genever enthielt der Wacholderschnaps 40 bis 50 % Alkohol und sorgte für ein wohliges Gefühl im Bauch. Wahrscheinlich betäubte er das Hungergefühl und vertrieb kurzzeitig die Sorgen. An jeder Straßenecke erhielten die Menschen für ein paar Pence einen Schluck. Gepanschte Gins streckte man mit Terpentin und Schwefelsäure. Viele Menschen erblindeten und starben aufgrund des giftigen Getränks. Mit Zucker und Rosenwasser sorgte man für einen erträglichen Geschmack.

Alkoholismus – The mother’s ruin 

In London verursachte der Ginkonsum katastrophale Zustände in der Stadt. Kriminalität und Prostituion befanden sich auf dem Höchststand. Allein in London gab es um 1730 bereits 7000 Gingeschäfte, die illegalen Bars und Kneipen nicht mitgezählt.

Die Sterblichkeitsrate lag schließlich höher als die Geburtenrate. 75 % der Kinder starben bevor sie das 5. Lebensjahr erreichten. Schwangere tranken Gin und schädigten ihre ungeborenen Kinder. Die schädliche Spirituose wurde als The mother’s ruin bekannt.

1734 kam es zu einem aufrüttelnden Vorfall, der die ganze Nation bewegte. Eine Mutter erwürgte ihren zweijährigen Sohn. Sie verkaufte seine Kleidung, um mit dem letzten Geld ihre Ginsucht zu befriedigen. Trotz hoher Steuereinnahmen durch die Spirituose beschloss das Englische Parlament zu handeln. 

Dunkle Seite der Gin Geschichte: Gin Lane (Schnapsgasse) von William Hogarth
Gin Lane (Schnapsgasse) von William Hogarth

Gin Acts – Das Englische Parlament handelt

Zwischen 1729 und 1751 sollten die sogenannten Gin Acts  die Gesellschaft vor Alkoholismus und dem Kollaps bewahren.

Gesetze regelten für Geschäfte, Bars und  Kneipen die Vergabe von Lizenzen, Verkauf und Steuern. So steuerte man gleichzeitig die Produktionsmenge und Qualität des Gins. Brennereien mussten eine Sondersteuer von 50 Pfund jährlich zahlen. So erhielt der heute noch existierende Fifty Pound Gin seinen Namen. Die Ausschankzeiten und auch die Ausschankmenge wurde begrenzt. Gin war offiziell nur noch in größeren Pups mit Qualitätskontrolle erhältlich. Dennoch starb jeder achte in London an zu hohem Alkoholkonsum. Es wurde weiter schwarz gebrannt oder zum Falschverkauf an der Rezeptur gefeilt.

Der Maler William Hogarth dokumentierte den Gin Craze auf einem Gemälde. Dort kümmern sich betrunkene Mütter nicht mehr um ihre Kinder und streitende, halbtote und kranke Menschen sind abgebildet. 1751 erließ man deshalb im sogenannten tippling Act  wieder billigere Lizenzen für die Brennereien und  stellte die Herstellung minderwertiger Gins unter hohe Strafe. So stiegen Preis und Qualität der Spirituose wieder. 

Industrialisierung fördert hochwertige Destillationsverfahren

Die Brennereien experimentierten mit hochwertigeren Rezepturen. Im 18. Jahrhundert förderte die Industrialisierung durch neue Verfahren die Herstellung von Gin. Der Handel mit anderen Ländern florierte und man importierte zur Verfeinerung der Spirituose Gewürze, Kräuter und Wurzeln aus fernen Ländern. Auch der Adel die High Society feierten in sogenannte Gin-Palästen die neue In-Spirituose. Bei den weiblichen Genießern war vor allem der süße Old Tom Gin sehr beliebt.

Der erste London Dry Gin stammt aus Finsbury

In Finsbury kreierte man den ersten London Dry Gin, dessen Herstellungsverfahren heute noch für höchste Qualität steht. Die East London Liquor company destillierte mit verschiedenen Zusätzen wie Kardamom, Grapefruitzeste und Kubebenpfeffer.

Im 19. Jahrhundert erfanden englische Soldaten das Tonic Water. In der englischen Kolonie Indien nahmen sie Chinin zur Prophylaxe von Malaria ein. Seinen bitteren Geschmack überdeckten sie mit Zucker, Zitrone und Gin. Der erste Gin Tonic stammt also aus Indien.

Die deutsche Wiege des Gins

In unmittelbarer Nachbarschaft zum niederländischen Genever beginnt die deutsche Gin-Tradition im heutigen Nordrhein-Westfalen. In Steinhagen bei Bielefeld war die Wacholderbeere seit dem 15. Jahrhundert für ihre magenberuhigende Wirkung bekannt. Anfangs für medizinische Zwecke genutzt wird das Heil- zum Genussmittel. Mit der Verbreitung der Brennkunst im späten Mittelalter beginnen die Einwohner Wacholderschnaps für den hauseigenen Bedarf zu brennen.

Steingut-Flaschen halten den Gin kühl

Industrialisierung und fortschreitende Technik ermöglichen im 18. Jahrhundert die Destillation von Spirituosen im größeren Stil. 1840 beginnt Heinrich Wilhelm Schlichte seinen Steinhäger Wacholderschnaps zu vertreiben. Markenzeichen der westfälischen Brennerei sind Flaschen aus Steinzeug, die den Schnaps ideal kühlen. Im Gegensatz zu heutigen Gins besteht die einzige Zutat eines Steinhäger nur aus Wacholder. Noch heute ziert das Stadtwappen von Steinhagen ein Wacholderzweig. 

Seit 200 Jahren Doppelwachholder aus Hagen-Haspe

Auch am Rande des Ruhrgebietes gibt es eine langjährige Wacholderschnaps-Tradition. In Hagen-Haspe brennt Familie Eversbusch seit 1817 ihren Doppelwachholder nach alter Rezeptur. Noch heute vertreibt das Familienunternehmen den Gin in altehrwürdigen Steinflaschen. 

Die Feinbrennerei Sasse im Münsterland brennt 1707 zum ersten Mal Wacholderschnaps . 

Gin-Comeback Mitte der 80er

Anfang des 20. Jahrhunderts treibt die Prohibition amerikanische Barkeeper nach Europa. Ihre vielseitige Trinkkultur prägt die Goldenen 20er Jahre mit Gin-Cocktails. Bis in die 60er Jahre ist die Spirituose beliebt und bekannt. In den 70er bis Mitte der 80er Jahre steigt die Schnapssteuer in Deutschland stark an. Gleichzeitig verdrängen Wodka und andere In-Getränke die klassische Spirituose vom Markt. Mitte der 80er erhält Gin wieder mehr Aufmerksamkeit. Kleine Brennereien destillierten Wacholderschnaps nach traditionellen Rezepturen.